Die Orte, an denen in den Großstädten Europas bevorzugt über Sensationen und Rekorde, soziale Krisen oder politische Entscheidungen räsoniert wurde, waren die Kaffeehäuser. Vor allem Literaten und Kleinkünstler machten aus ihnen Kultstätten ihrer Kreativität und des freien Geistes. In Nebenoder Kellerräumen bauten sie „Brett’lbühnen” auf, die sie Dichtelei, Künstlercafé, Literaten- oder Chansoncafé nannten.
Auf begrenztem Raum mit intimer Wirkung riefen beeindruckende Darbietungen pure Momente einer visionären Entrückung hervor. Diese literarischen Kabaretts machen den eigentlichen Mythos der zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts aus. Erst mit der 1933 einsetzenden Vertreibung und Ermordung der Juden wird in vollem Umfang deutlich, wie sehr diese Kultur von Künstlern jüdischer Herkunft geprägt war.
Rund dreitausend jüdischen Künstlern gelang es aus Nazideutschland zu emigrieren. In den Asylländern gaben sie dann wieder literarisch-musikalische Abende in Exilanten-Cafés, Kellerbars, auf Dachterrassen oder in Rundfunkstudios, für Sendungen in Richtung Heimat. So hat sich die Kunst des Chansoncafés unfreiwillig auch über die Welt verteilt.